DRAGON Ruhr.nrw
Das Projekt DRAGON Ruhr.nrw der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Duisburg-Essen und der Technischen Universität Dortmund hat zum Ziel, die bislang ausschließlich physisch offerierte Geländearbeit und Baustellenvisitation in Studieninhalten an den Schnittstellen zwischen den Geowissenschaften und dem Bau- und Umweltingenieurwesen um diversitätsoffene digitale Angebote zu erweitern.
Im Geoingenieurwesen besteht ein wesentlicher Aspekt der beruflichen Vorbereitung in der Erfahrung dreidimensionaler Zusammenhänge des Baugrunds und des Bauwerks. Dies wird durch geologische Geländearbeit und Kartierungen, übertägige Baustellenbesuche und untertägige Befahrungen realisiert. Nicht profitieren können davon jedoch Menschen mit diversen Belastungen durch soziokulturellen Status, unzureichende finanzielle Mittel oder körperliche Beeinträchtigungen. Zusätzlich sind Geländetage und Baustellenbesuche aus Sicherheitsgründen in der Zahl der Teilnehmenden begrenzt. DRAGON Ruhr.nrw setzt hier an und baut die Barrieren für Geländearbeit im Geoingenieurwesen ab.
Neben digital geführten Aufnahmen von Baugrund und Bauwerk sowie Handstücken und Werkzeugen werden Augmented Reality (AR) Elemente umgesetzt und 3D Virtual Reality (VR) Erfahrungen einbezogen. Dadurch werden die Lehrinhalte diversitätsoffen angeboten, sodass einer möglichen Diskriminierung von interessierten Studierenden im Lehrplan entgegengewirkt wird, Studieninteressierte gewonnen werden und Lehrinhalte für zum Beispiel Behörden oder im Rahmen von Weiterbildungen zur Verfügung gestellt werden. Außerdem entstehen so qualitätiv hochwertige ergänzende Lehrmaterialien.
Hier geht es zu unseren 3D Modellen.
Impressionen unserer 3D-Modelle
Motivation des Projekts
“Keen observation is at least as necessary as penetrating analysis.“ (Terzaghi)
In den Geowissenschaften und im Bau- und Umweltingenieurwesen ist die Vermittlung von Geländekompetenz eine wesentliche Säule der studentischen Ausbildung. H. H. Read (†1970), ehemaliger Professor für Geologie am Imperial College London und Präsident der Geological Society, sagt 1957: "The best Geologist is [s]he who has seen the most rocks." Er teilt seine Einschätzung mit K. v. Terzaghi (†1963), dem Begründer der Bodenmechanik: “Keen observation is at least as necessary as penetrating analysis.“
Dies betont die Bedeutung der Beobachtung von Baugrund und Bauwerk. Studierende lernen in den frühen Phasen des Studiums das Erkennen, Beschreiben und Klassifizieren von Locker- und Festgestein, die sichere Aufnahme und Interpretation von räumlichen Strukturen, die Umsetzung und Wirkungsweise von Sicherungsmaßnahmen, die räumliche und zeitliche Interaktion zwischen Baugrund und Bauwerk sowie die Anforderungen an Sicherheit und Dauerhaftigkeit. Geländearbeit schult das für das Geoingenieurwesen so essentielle 3D Denken und bildet die Basis für alle weiterführenden Spezialisierungen.
Geländearbeit stellt die Berücksichtigung von Diversität unter den Studierenden vor Herausforderungen, wofür weltweit im Geoingenieurwesen erst in der jüngsten Vergangenheit das Bewusstsein erwacht ist: Geländearbeit ist nicht barrierefrei, berücksichtigt nicht die familiären Situationen der Studierenden (z.B. Pflege von Angehörigen, Betreuung von Kindern), stellt hohe Anforderungen an die finanzielle Resilienz von Studierenden (Reisekosten) und geht daher auch nicht auf die Bildungsherkunft ein. Nicht zuletzt ist sie nicht pandemieresistent.
Weiterhin gerät die Geländearbeit durch einen wachsenden Fokus auf spezialisiertes Fachwissen und Sparzwänge in Gefahr, reduziert und zunehmend in Wahlbereiche verschoben zu werden, was die Qualität der Ausbildung im Geoingenieurwesen deutlich gefährdet. Die Zuordnung zu Wahlbereichen bewirkt eine Ausbildungsschere und benachteiligt Studierende, die ohnehin größeren Herausforderungen gegenüberstehen, da diese dann die Geländeausbildung aufgrund persönlicher Restriktionen zurückstellen. Daher ist es überfällig, diversitätsoffene Geländeausbildung anzubieten.
Inspiriert durch wenige internationale Flaggschiffe, z.B. dem UCL (London, GB) und der Washington University (St. Louis, USA), wollen wir als Konsortium der Universitätsallianz Ruhr mit der Umsetzung der digitalen Geländearbeit für eine diversitätsoffene Ausbildung im Geoingenieurwesen in unseren Fachgebieten deutschlandweit eine Vorreiterrolle einnehmen und diese dadurch für Studierende besonders attraktiv machen.
In dem gemeinsamen Projekt aus den Fachgebieten Ingenieurgeologie und Felsmechanik (Geowissenschaften, RUB) und Geotechnik (Bauwissenschaften, UDE, sowie Architektur- und Bauingenieurwesen, TUD) sehen wir einen besonderen Mehrwert und eine starke Reichweite der Lehrinhalte durch die interdisziplinäre Adressierung und Netzwerkförderung von Studierenden und Lehrenden innerhalb der Universitätsallianz Ruhr und darüber hinaus.
Projektbeteiligte DRAGON Ruhr.nrw
Die folgenden Personen wirken an dem Projekt DRAGON Ruhr.nrw mit.
Projektverantwortliche Person: Dr. Mandy Duda
Projektkonsortium: Prof. Dr. Tobias Backers, Dr. Mandy Duda (Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr.-Ing. Eugen Perau (Universität Duisburg-Essen), Prof. Dr.-Ing. Frank Könemann (Technische Universität Dortmund)
Weitere Projektbeteiligte: Marc S. Ogan, Dr. Benedikt Kosmann, Marius Schmidt, Julia C. Godlewska, Alexander-Dean Seiling, Robin Pastaschuk, Dr. Kirsten Bartmann, Janine Ulbrich, Julian Seifart
Constructive Alignment
Übergeordnete Projektziele
Durch DRAGON Ruhr.nrw werden die Hürden für eine umfassende Geländeausbildung aller Studierenden abgebaut. Da die Lehrinhalte in verschiedenen Veranstaltungen zum Einsatz kommen, sind übergeordnete Projektziele nachfolgend nach den Einsatzbereichen angegeben:
Schaffung eines diversitätsoffenen, barrierearmen und kostengünstigen Zugangs zu Geländeausbildung und Eliminierung eines physisch, sozial und finanziell begrenzenden Zugangs zu Schlüsselqualifikationen im Geoingenieurwesen:
- Verbesserung des Zugangs zu Fach- und Kernkompetenzen
- Verbesserung sozialer Kompetenzen durch Sensibilisierung für Gleichstellungs- und Diversitätsthemen
- Erhöhung sozialer Kompetenz und bessere Nutzung von Kompetenzenressourcen durch uneingeschränkte Gruppenkonstellationen im virtuellen Raum im Gegensatz zu einer festen Gruppe im physischen Raum
Bereitstellung besserer Materialien zur Vor- und Nachbearbeitung physischer Geländearbeit in Ergänzung zu Exkursionsbuch und Exkursionsführern:
- Optimierung von Fachkompetenz und Effizienz durch qualitativ höherwertiges Lehrmaterial
Umsetzung eines neuen Ansatzes zur Ergänzung klassischer Lehrformate (Vorlesungen, Übungen):
- Erhöhung der Fachkompetenz durch Vermittlung von Lehrinhalten über optimierte Visualisierung sowie Verbesserung des 3D Verständnisses für Baugrund und Bauwerk
Motivierung von Studierenden, eigene Lehrinhalte zu schaffen:
- Erhöhung der Lehr- und Kommunikationskompetenz
Eröffnung von Perspektiven zur gezielten Vermittlung digitaler Arbeitsmethoden:
- Vermittlung von Medien- und Methodenkompetenzen und damit Schaffung von Kernkompetenzen und Wettbewerbsvorteilen
- Verbesserung der Kommunikationskompetenz, insbesondere mit Bezug zu Öffentlichkeitsarbeit
Lehrkonzept
Didaktisch-methodisches Vorgehen
Die digitalen Bausteine von DRAGON Ruhr.nrw umfassen:
- Drohnenvideos von Geländestrukturen und 360° Geländeaufnahmen: Mit einer Kameradrohne werden Luft- und Detailaufnahmen von Baugrund und Bauwerk aufgenommen. Dadurch sind schwer oder aus Sicherheitsgründen unzugängliche Abschnitte visuell erreichbar. Mithilfe einer 360° Kamera werden an Haltepunkten Panoramaaufnahmen aufgezeichnet.
- 3D Modelle von Baugrund und Bauwerk mit VR Visualisierung: hoch aufgelöste 3D Modelle von großräumigen Geländeansichten ermöglichen es, Strukturen (Störungen, Schichtabfolgen), Sicherungsmaßnahmen, Geräte und technisch herausfordernde Situationen aus verschiedenen Winkeln zu betrachten. Die Lehrinhalte sind sowohl bildschirmfähig als auch über VR Brillen besonders realitätsnah erlebbar.
- 3D Modelle von Proben, Werkzeugen und Sicherungselementen mit AR Elementen: Studierende können anhand von Detailaufnahmen, die sie z.B. über das Smartphone in ihre Lernumgebung projizieren können, eine Einordnung und Ansprache der Handstücke vornehmen, spezielle Bauteile und Geräte in 3D erfahren, hinterlegte Informationen abfragen und die Wirkungsweise von Sicherungselementen erleben.
Die Bausteine werden inhaltlich in Form von geführter Geländearbeit und Baustellenvisitationen modular nach Lernfortschritt und Lernziel umgesetzt. Übergeordnetes Ziel ist der Aufbau von zwei ganzheitlichen Geländeprojekten (Lockergestein und Festgestein) bestehend aus Ansprache, Vorerkundung, Baugrunderkundung (Voruntersuchung, Hauptuntersuchung, Kontrolluntersuchungen und baubegleitende Messungen), Erstellung eines Baugrundmodells, Planung und Auswertung der Laborversuche, Spezifizierung der Aufgabenstellung und Bauüberwachung.